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„Jahr der Orgel“ – 2021

 

In diesem Jahr wird bundesweit das „Jahr der Orgel“ begangen. Für das Evangelische Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach ein Anlass, zwölf der hiesigen Instrumente als „Orgel des Monats“ vorzustellen. 

Die Orgel des Monats Dezember:

 

steht in der Sankt Katharinenkirche an der Frankfurter Hauptwache

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Im Jahr 2021 haben die Landesmusikräte die Orgel in den Fokus gerückt, das Evangelische Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach hat das zum Anlass genommen, zwölf Instrumente als „Orgel des Monats“ vorzustellen, die Reihe beschließt im Dezember die Evangelische Sankt Katharinengemeinde mit ihrer Rieger-Orgel.

Seit dem 28. Oktober 1990 kann man sie hören, die Rieger-Orgel in der evangelischen Sankt Katharinenkirche an der Frankfurter Hauptwache. „Das Vorgänger-Instrument, die Walcker-Orgel von 1954, hatte im Laufe der Jahre immer größere Mängel, zeigte Störungen im Spielapparat, die sogar zum Abbruch von Konzerten zwangen, sowie das unbefriedigende technische und klangliche Konzept, ließen einen Orgelneubau unabdingbar erscheinen“, wie der Sachverständige, Professor Reinhard Menger, in seinem Gutachten befunden hatte.

Die Stadt Frankfurt am Main, zu deren Dotationskirchenbesitz Sankt Katharinen gehört, hat sich in dieser Situation großzügig gezeigt. Aus den vorliegenden Angeboten wurde die österreichische Firma Rieger ausgewählt und erhielt Ende 1998 den Auftrag für den Neubau einer Orgel in Sankt Katharinen. Nach nur 22 Monaten Bauzeit, davon 16 Wochen in der Kirche, konnte das Instrument am 28. Oktober 1990 in einem Festgottesdienst in den Dienst genommen werden.

Diese Orgel stellt weder das stilistische Konglomerat der „Kompromiss-Orgel“ dar, noch ist sie eine der heute so beliebten Stilkopien einer älteren Richtung des Orgelbaus. Christoph Glatter-Götz, der damalige Chef von Rieger, zur Frage der Stilkopien: „Warum sollte ich zum Beispiel eine Orgel von Cavaillé-Coll nachbauen, das hat der doch viel besser gekonnt. Nein, wir bauen Rieger-Orgeln!“ Hieraus spricht nicht nur das gesunde Selbstbewusstsein des Leiters einer Weltfirma, sondern auch eine gehörige Portion Weisheit: Nur die ausgeprägte „Handschrift“ des Orgelbauers, seine Persönlichkeit, kann aus den orgelbaulichen Traditionen auswählen, was ihm gut und wünschenswert erscheint, und zu einem „organischen“ Ganzen verschmelzen; denn erst das macht die Qualität einer wirklich guten Orgel aus.

So findet man in dieser Orgel altbewährte handwerkliche Prinzipien: das selbsttragende, schwingungsfähige Gehäuse aus Massivholz, die elegante Spieltraktur ohne „neue Werkstoffe“ oder elektrische Unterstützung, eine mechanische Registertraktur, die auch bei Ausfall der elektronischen Zweisteuerung voll funktionsfähig bleibt. Zu finden sind in der Disposition Elemente aus Barock und Romantik, die zu einer Klangpersönlichkeit wurden, die in ihrer Ambivalenz von Kraft und Melancholie getreuer Spiegel des Intonateurs Oswald Wagner ist, der in den zehn Wochen der Intonation diese Orgel zu einem Kunstwerk rundete, bei dem das Ganze eben mehr ist als die Summe seiner Teile. „So weit, so gut: Orgeln kann man nicht beschreiben, man muss sie hören.“ „Ungefähr dies schrieb ich 1993, nachdem ich diese Orgel schon gut zwei Jahre hatte spielen dürfen. Und bis heute wurde nichts an ihrem Klang verändert, nur die elektronische Speichermöglichkeit für Klangmischungen wurde – der Entwicklung des Digitalen folgend – auf 10 x 62.500 Speicherplätze erweitert mittels des unsagbar hilfreichen Rieger-Setzersystems“, so Martin Lücker, der Organist an Sankt Katharinen.

In höchster technischer Zuverlässigkeit und unverminderter Klangschönheit tut diese Orgel seit nunmehr 31 Jahren ihren Dienst. Wie viele Menschen mögen durch ihren Klang bewegt, erfreut und getröstet wurden sein? Denn diese Orgel ist vermutlich die meistgespielte in Frankfurt: zweimal wöchentlich „30 Minuten Orgelmusik“, etwa 450 Gottesdienste und Andachten sowie knapp 30 Orgelkonzerte jährlich, nicht zu zählen die Verbreitung über elektronische Medien wie CDs und in jüngerer Zeit Youtube mit mehr als 500.000 Aufrufen. „Dazu kommen noch zahllose Stunden seligen Übens und Lehrens!“, äußert Martin Lücker über das Instrument, das er so meisterhaft spielt.

Orgelwerken von der Renaissance über Barock, Romantik und Moderne bis hin zu regelmäßigen jährlichen Uraufführungen hat die Rieger-Orgel durch ihren Klang tönendes Leben geschenkt. Organisten und Organistinnen aus der ganzen Welt waren begeistert, und als Referenzinstrument – exponiert und auch international verkehrsgünstig gelegen – war sie Anstoß für viele weitere Aufträge an die Firma Rieger.

Mitten in Frankfurts turbulentem Zentrum, an der Hauptwache, öffnet ihr Klang Herzen und Seelen zahlloser Menschen.“ Welch eine Geschenk, welch eine Gnade!“ – ist die Auffassung von Martin Lücker, Organist an Sankt Katharinen seit dem 1. April 1983.

Kurzer Nachtrag zur Orgelgeschichte:

In den Neubau der Sankt Katharinenkirche 1681 wurde zunächst die Orgel ihres Vorgängerbaus übernommen, von Lorenz Ettlin aus Eßlingen erbaut, der 1626 nach Frankfurt gekommen war. Im Gottesdienst am Sonntag vor Weihnachten 1779 wurde dann zum ersten Mal die Orgel gespielt, welche die Gebrüder Stumm aus Rhaunen-Sulzbach laut Kontrakt vom 20. Mai 1778 gebaut hatten. Diese Orgel stand über dem Altar. Im Zuge des sich wandelnden musikalischen Geschmacks baute die Firma Walcker aus Ludwigsburg 1854 bis 1856 ein neues Pfeifenwerk in das vorhandene Gehäuse. Und schon 1909 – nur 53 Jahre später – lieferte die Firma Steinmeyer aus Öttingen eine weitere neue Orgel. Wieder wurde das Gehäuse der Stumm-Orgel beibehalten. Dem Bombenangriff vom 22. März 1944 fiel die gesamte Orgel zum Opfer. Am 24. Oktober 1954 wurde dann – wieder von Walcker – als mittlerweile fünftes Instrument eine viermanualige Orgel auf der rückwärtigen Empore der wieder aufgebauten Kirche errichtet, die 1990 von der Rieger-Orgel abgelöst wurde.

 

Ausführliche Informationen zur Geschichte dieser Orgeln sind zu finden in:

St. Katharinen zu Frankfurt am Main

2. Erweiterte Auflage 1993

Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main

ISBN 3-7829-0240-8

(Auf diese Veröffentlichung bezieht sich auch der vorliegende Beitrag.)

Dezember

Die Orgel des Monats November:

 

Die Fischer & Krämer-Orgel der Stephanuskirche in Unterliederbach

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Ein musikalischer Schatz mit vielen Facetten, verpackt in einem kompakten Gehäuse.

Allmonatlich wird im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach 2021 eine Orgel vorgestellt. Hintergrund ist das „Jahr der Orgel“, das die Landesmusikräte ausgerufen haben. Im Monat November rückt das Instrument der Evangelischen Kirchengemeinde Unterliederbach in den Fokus.

Inmitten einer Grünanlage am Liederbach, zwischen Nachkriegssiedlungen gelegen, steht die Unterliederbacher Stephanuskirche. Ein beeindruckendes Bauwerk, das von zwei großen Fensterwänden geprägt wird, die die Stephanusgeschichte abbilden. Der Bau dieser Kirche war nötig geworden, weil sich die Gemeindegliederzahl nach dem Krieg beträchtlich erhöht hatte und die barocke Dorfkirche zu klein geworden war. 1964 wurde sie in den Dienst genommen und mit ihr die Orgel aus der Werkstatt des Hoechster Orgelbauers Heinrich Wilhelm Voigt.

Dieses Instrument war optisch durchaus innovativ konzipiert. Die Orgel war an der Rückwand der Empore fast über die gesamte Breite aufgestellt, die einzelnen Werke der Orgel nebeneinander angeordnet. Dabei blieb das Instrument klanglich dem Zeitgeschmack entsprechend der Orgelbewegung verhaftet - „neobarock langweilig“ wie es ein Zeitzeuge charakterisiert.

Schon bald wurde versucht, mit dem Einbau eines Schwellers nachzubessern; im Zuge einer Überholung Anfang der neunziger Jahre sollten kleinere Eingriffe das Instrument klanglich interessanter gestalten. Eine tiefgreifende Verbesserung stellte sich allerdings nicht ein.

Durch die breite Aufstellung blieb der wenig inspirierende Klang unfokussiert, die Spielanlage war nach wie vor widerständig und die Positionierung der Orgel erschwerte zudem das liturgische Zusammenspiel mit der Kantorei ebenso wie mit Instrumentalisten.

So entstand der Wunsch, ein neues Instrument für die Stephanuskirche zu gestalten, das auch der künstlerischen Bedeutung einer in der Zwischenzeit in der Gemeinde angesiedelten Propsteikantorenstelle Rechnung tragen konnte. Um die Kosten für einen Neubau nicht zu sehr in die Höhe zu treiben, wurde beschlossen, möglichst viel Pfeifenwerk der alten Orgel wieder zu verwenden. Anders als in der Thomaskirche in Frankfurt-Heddernheim (siehe Orgel des Monats September) ging es allerdings nicht um eine Reorganisation; die Aufstellung der Orgel wurde völlig neu konzeptioniert, der Werkcharakter mit gestaffelter Aufstellung von Haupt- und Schwellwerk in einem kompakten Gehäuse realisiert. So wurde auf der Empore Platz für die Kantorei geschaffen und ein vorgezogener Spieltisch erlaubt nun ein gutes Miteinander von Orgel und Chor.

Mit dem Neubau wurde die Firma Fischer & Krämer beauftragt, deren Mitarbeiter klanglich wahre Wunder vollbrachten. Viele alte Register konnten so neu-, aber auch umintoniert werden, dass eine Fülle von interessanten Klangfarben entstand. Abgestimmt auf den Raumklang der Kirche verfügt die Gemeinde nun über ein großes zweimanualiges Instrument mit 33 Registern, das die Darstellung einer Vielzahl von Musikstilen erlaubt. Deutsche Romantik, die Werke Johann Sebastian Bachs, Kompositionen der Moderne und auch Ausflüge in den Jazz mit an Hammond-Orgeln erinnernden Klängen können die Gemeinde nun im Gottesdienst wie im Konzert inspirieren.

So ist die Orgel der Unterliederbacher Stephanuskirche ein gelungenes Beispiel für das Modell „Neubau einer Orgel unter Verwendung alten Pfeifenmaterials“, das im kommenden März zehnjähriges Jubiläum feiern kann.

Die Orgel des Monats Oktober:

 

Die Steinmeyer-Orgel der Lutherkirche der Mirjamgemeinde

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Eine nuancenreiche Disposition kennzeichnet das 1914 in den Dienst genommene Instrument.

Im Jahr 2021 wird bundesweit das „Jahr der Orgel“ begangen. Das Evangelische Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach nimmt das zum Anlass, allmonatlich ein Instrument zur „Orgel des Monats“ zu küren. Im Oktober ist die Wahl auf die der Lutherkirche gefallen.

Das zur Evangelischen Mirjamgemeinde gehörende Gotteshaus an der Offenbacher Waldstraße wurde von Friedrich Pützer nach dem sogenannten „Wiesbadener Programm“ geplant und 1914 fertiggestellt. Wie auch in anderen Pützer-Bauten bilden dabei Altar, Kanzel und Orgel eine Einheit in dem mit warmen Farben jugendstilartig ausgemalten Kirchenraum. Der Auftrag zum Bau der Orgel erging an die Orgelbaufirma Steinmeyer. Deren Gründer, Georg Friedrich Steinmeyer, war Schüler des berühmten Ludwigsburger Orgelbauer Walcker. Sein Sohn Johannes Steinmeyer übernahm 1901 den Betrieb, er konzipierte und baute mehr als 750 Orgeln, darunter auch das Opus 1195, die Orgel der Offenbacher Lutherkirche. „Für die hohe handwerkliche Qualität Steinmeyers spricht unter anderem, dass wesentliche technische Bestandteile, wie das Gebläse und auch die Steuerungsmagnete der elektropneumatischen Spielanlage seit 1914 unerschöpflich ihren Dienst tun“, äußert Organistin Bettina Strübel, die regelmäßig das Instrument spielt.

Ganz dem romantischen, orchestralen Stil verpflichtet, zeichnet sich die Steinmeyer-Orgel durch eine große Farbpalette grundtöniger Register aus. Dreizehn der insgesamt 32 Register sind 8-füßig, darunter zahlreiche Streicherklänge wie „Viola di Gamba“, „Viola“ und „Violoncello“. Entsprechend der Größe des Kirchenraums kommt die nuancenreiche Disposition der 3-manualigen Orgel mit zwei Schwellwerken und einer Walze den Klängen und dem Ideal eines romantischen Kammerorchesters sehr nahe.

Ursprünglich stand der Spieltisch auf der linken Seitenempore. 1959 wurde er auf die hintere Empore versetzt, dabei wurde das Klangbild dem Zeitgeist angepasst, sprich barockisiert. 2014 wurde die Orgel im Rahmen einer umfassenden Sanierung in den ursprünglichen Zustand rückversetzt. Da noch außergewöhnlich viel Originalsubstanz an Pfeifen- und sonstigem Material vorhanden war, konnte die originäre romantische Orgel mit ihren zahlreichen feinen und zarten Farben glücklicherweise „wiederauferstehen“. Die mit der Restauration beauftragte Orgelbaufirma Förster & Nikolaus aus Lich entschied sich für einen fahrbaren Spieltisch unterhalb der verkleinerten linken Seitenempore. Eine moderne Setzeranlage mit zahlreichen weiteren Funktionen neben der Registervoreinstellung wurde dezent ergänzt.

Seinerzeit hatte die Steinmeyer-Orgel der Lutherkirche eine um ein Jahr ältere „Schwester“ in der Synagoge in Offenbach, eine Walcker-Orgel, die auch zeitgleich mit dem Bau der Synagoge geplant und erstellt wurde. Diese Orgel war bis 1938 die größte Orgel in Offenbach. Nach der Reichspogromnacht wurde sie zur Kinoorgel umfunktioniert und schließlich außer Dienst gestellt. Einzelne Register erklingen heute noch in der Offenbacher Stadtkirche. Auch in der Lutherkirche erinnert Kantorin Bettina Strübel immer wieder in Konzerten an die einst reiche synagogale Orgeltradition.

Oktober
November

Die Orgel des Monats September:

 

Die Neue Thomas-Orgel in Heddernheim

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September

Umfassend restauriert und ergänzt, ermöglicht das in den Nachkriegsjahren von Helmut Walcha konzipierte Instrument der Sankt Thomaskirche, das in die Jahre gekommen war, neben klangvollen Interpretationen von Historischem auch vieles an Improvisationen.

 

Nun ist es soweit: Mit einer Festwoche begeht die Frankfurter Nordwest-Gemeinde vom 10. September an die Einweihung der „Neuen Thomasorgel“. „Ein mutiges, innovatives und mit viel Phantasie entwickeltes Projekt findet seien vorläufigen Abschluss. Entstanden ist ein Instrument, das seinesgleichen sucht“, so Propsteikantor Stefan Küchler.

1952, bereits kurz nach dem Krieg, hatte die Evangelische Sankt Thomasgemeinde, heute zur Kirchengemeinde Frankfurt-Nordwest gehörend, in ihrer wiederaufgebauten Kirche einen Orgelneubau fertiggestellt. Konzipiert wurde das Instrument damals von Helmut Walcha, der in Sankt Thomas als Organist wirkte. Nach seinen Plänen entstand ein Instrument auf der Höhe der Zeit, mit Klangfarben, die von der Orgelbewegung geprägt waren. Helle, klare Töne, reizvolle Flöten und interessante Quintaden füllten den Raum.

Im Laufe der Zeit war die Orgel allerdings in die Jahre gekommen, Schmutz und Schäden trübten den klanglichen Eindruck. Darüber hinaus ließ das Instrument Klangfarben und Spielhilfen vermissen, die die Interpretation von Orgelmusik unterschiedlichster Stilrichtungen ermöglichen. Fragen nach Neubau, Rekonstruktion, Erweiterung, finanziellen und baulichen Voraussetzungen standen im Raum.

Nicht zuletzt dank intensiver Spendenakquise vieler Engagierter für die Kirchenmusik an Sankt Thomas, wurde nun die Orgel aus dem Jahr 1952 instandgesetzt und mit ihrem Pfeifenmaterial erhalten, sodass das klangliche Konzept von damals heute wieder erlebt werden kann. Gleichzeitig kam ein Schwellwerk hinzu, das mit den darin neu enthaltenen Registern die Möglichkeit bietet, romantische und moderne Orgelliteratur angemessen zu spielen. Technisch wurde von der Orgelbaufirma Förster & Nicolaus, die die Sanierung ausführte, zudem das Konzept der elektronischen Einzeltonansteuerung eingesetzt – eine besondere Innovation, mit der sich im Prinzip jede Pfeife von jeder Taste aus ansteuern lässt. Der Einbau eines Windschwellers ermöglicht wiederum ganz andere, neue Hörerfahrungen. Mit diesem System lässt sich der Winddruck verändern. Damit ergeben sich neue, ungewohnte Spaltklänge, die in neuer Orgelmusik Verwendung finden, aber auch interessante Improvisationsmöglichkeiten eröffnen.

So bietet die Neue Thomasorgel vielfältige musikalische Möglichkeiten. Ob als Konzertinstrument, das die Darstellung einer Vielzahl von Stilen ermöglicht, ob als wichtiges Element in der Liturgie, ob als Partner in kammermusikalischen Besetzungen oder zur Begleitung unterschiedlichster Vokalgruppen in verschiedenen Besetzungsgrößen, das Instrument wird seinen vielfältigen Aufgaben gerecht werden.

Auch an die nächste Generation wurde gedacht: Am ersten ergonomischen Spieltisch Frankfurts lassen sich Manualklaviaturen in Höhe und Tiefe an den Spieler, die Spielerin anpassen und erleichtern so auch sehr jungen Schülerinnen und Schülern den Einstieg. Dieses Orgelprojekt ist außergewöhnlich und beispielhaft für modernen Orgelbau. Altes, Vertrautes wird erhalten und durch Erweiterung und phantasievolle Nutzung moderner technischer Möglichkeiten zukunftsfähig gemacht. Die Neue Thomasorgel wird mit Sicherheit einen ganz besonderen Platz in der Frankfurter Orgellandschaft einnehmen.

Die Orgel des Monats August:

 

Sie steht in der evangelischen Stadtkirche in Frankfurt-Höchst –
Ein Kleinod mit wechselvoller Geschichte

08_August Orgel Höchst Foto privat_kl.jpg

Die 1882 fertiggestellte evangelische Stadtkirche in Höchst, der erste evangelische Kirchenbau dort, erhielt 1888 eine Orgel aus der Werkstatt von Karl Heinrich Voigt aus Wiesbaden-Igstadt. Bereits kurz nach dem Einbau des Instrumentes mussten Maßnahmen zum Schutz vor Feuchtigkeit und Nässe ergriffen werden, da die Orgel entgegen des Ratschlags ihres Erbauers auf Wunsch des Bauleiters im Turm der Kirche aufgestellt worden war. 

1915 wurde die Höchster Orgel durch die Firma Walcker umgestaltet und erweitert. Der Zustand des Instrumentes verschlechterte sich allerdings im Lauf der Jahre immer mehr. 1973 wird der Zustand der Orgel in einem Gutachten als „technisch wenig befriedigend“ aber alles in allem als interessantes und brauchbares Werk beschrieben. Eine Restaurierung der Orgel in Richtung des ursprünglichen spätromantischen Klangbildes wurde angestrebt.

Allerdings hatte sich der Zeitgeschmack geändert. Im Zuge der sogenannten Orgelbewegung wurden romantische Orgeln häufig wenig geschätzt, man bevorzugte nun einen hellen, an nord- oder mitteldeutschen Barockorgeln orientierten Klang. So entschloss sich der Kirchenvorstand der Gemeinde statt zur Restaurierung zu einem Neubau der Orgel. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde die alte Orgel aus der Kirche entfernt, die historische Substanz des Instrumentes ging verloren.

1975 fertigte Jürgen Ahrend eine neue Orgel, die heute ein besonderes klangliches Juwel darstellt. Das Instrument beherrscht mit seinem Gehäuse aus Eichenholz und den zinnernen Prospektpfeifen die Westempore und prägt optisch den gesamten Kirchraum.

Kennzeichnend für die Orgeln Jürgen Ahrends war die Auseinandersetzung mit im Laufe der Jahrhunderte fast verloren gegangenen Techniken des Orgelbaus. Ziel dieser Wiedergewinnung traditioneller Handwerkskunst war die Gestaltung neuer Orgeln, deren Klangqualität den hervorragenden Instrumenten der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts nahekommen sollte. Vorbilder fand Ahrend vorwiegend in den barocken Orgeln Norddeutschlands, allerdings nahm er auch Einflüsse aus dem Elsass und aus dem mitteldeutschen Orgelbau, insbesondere der Brüder Silbermann, auf. So kommen seine Orgeln an Klangschönheit, Solidität und Einfachheit der Anlage den originalen Vorbildern gleich, ohne bloße Kopien zu sein.

Die Orgel der Stadtkirche in Höchst, obwohl eines der ersten Werke Jürgen Ahrends, ist ein typisches Beispiel für sein Schaffen und ein wahres Kleinod in der Orgellandschaft unseres Dekanats.

August

Die Orgel des Monats Juli:

 

Klang voller Flöten und Geigen in Frankfurt-Nieder-Eschbach

07_Juli Orgel Nieder-Eschbach_kl.jpg

Im Norden Frankfurts, lange Zeit gewissermaßen „vor den Toren der Stadt“, liegt Nieder-Eschbach. Die dortige 1617/1618 als schlichter barocker Saalbau erbaute Kirche verfügte bereits im 18. Jahrhundert über eine Orgel, von der jedoch keine weiteren Informationen erhalten sind.

Im Jahr 1892 erbaute Heinrich Bechstein das noch heute erhaltene Instrument mit zwei Manualen und Pedal. Bechstein, 1841 in Rotenburg an der Fulda geboren, war Sohn eines dort ansässigen Orgelbauers. Da der Vater früh starb, erlernte Heinrich bei dessen Nachfolger Valentin Möller das Orgelbauhandwerk und war anschließend bei der noch heute existierenden Orgelbauwerkstatt Förster in Lich beschäftigt.1872 machte sich Bechstein in Groß-Umstadt selbständig und arbeitete dort 40 Jahre lang bis zu seinem Tod. In dieser Zeit schuf er für Kirchen im Großherzogtum Hessen-Darmstadt zahlreiche ein- und zweimanualige Orgeln vor allem im Odenwald, in Rheinhessen und im Taunus.

Die Orgel in Nieder-Eschbach ist ein ganz typisches Beispiel für Bechsteins Schaffen. Kennzeichen seiner Werke waren eine dem damaligen Zeitgeschmack entsprechende Klanggebung mit einer im Verhältnis zur Gesamtregisterzahl hohen Anzahl an grundtönigen Registern. Besonders gern verwendete er charakteristische Flöten- und Streicherstimmen in seinen Instrumenten. So finden sich als Registerbezeichnungen Rohrflöte, Hohlflöte, Flöte travers, Salicional, Geigen Prinzipal, Violoncello und Gambe.

Möglich wurde dies durch die Verwendung der mechanischen Kegellade als Tonsteuerungssystem. Dieses hat den Vorteil, dass der Unterschied im Windverbrauch zwischen großen und kleinen Pfeifen recht gering ist. Große Pfeifen rauben kleineren kaum Wind, außerdem gibt es bei diesem System auch kaum Schwierigkeiten bei der Windversorgung vieler gleichzeitig erklingender großer und tiefer Pfeifen.

Die Disposition der Nieder-Eschbacher Orgel spiegelt dies deutlich wider: von Insgesamt 16 Registern erklingen zehn im Bereich von 8´ und 16´ Fuß; lediglich zwei höhere Klangfarben, Octave 2´ und Flageolet 2´, sind vorhanden – und letzteres Register wurde erst 1972 durch Umbau aus einem weiteren 8´-Register gewonnen.

Insgesamt ist es erstaunlich, dass das Instrument mit dem Großteil seiner historischen Substanz erhalten geblieben ist. Neben der erwähnten Umgestaltung eines Registers ist lediglich der Prinzipal 8´ verlorengegangen. 1917 mussten fast überall die Prospektpfeifen als „Kriegsopfer“ abgegeben werden; sie wurden später ersetzt.

Nach mehreren Reparaturen wurde die Orgel durch die Firma Werner Bosch umfassend restauriert und erfreut die Zuhörer und Zuhörerinnen mit einem interessanten Klangbild der Spätromantik – voller „Flöten und Geigen“.

Juli

Die Orgel des Monats Juni:

 

Die klangvolle Schuke-Orgel der Dreikönigskirche am Sachsenhäuser Mainufer in Frankfurt

06_Juni Orgel Dreikönigsgemeinde Foto privat_kl.jpg

In diesem Monat wird das von Kantor Andreas Köhs gespielte Instrument der am Sachsenhäuser Mainufer gelegenen Dreikönigskirche in den Fokus gerückt.

Die Orgel der Frankfurter Dreikönigskirche zählt zu den klangschönsten Instrumenten des Rhein-Main-Gebietes. Ihre Entstehung reicht zurück bis in das Jahr 1957, als Professor Helmut Walcha – anlässlich seines 50. Geburtstages – in Würdigung seines künstlerischen Wirkens mit der Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt ausgezeichnet und in diesem Zusammenhang gebeten wurde, die Konzeption einer Orgel für die Dreikönigskirche zu entwickeln, die seinen musikalisch-ästhetischen und interpretatorischen Ansprüchen vollumfänglich gerecht werden würde.

Das bisherige Instrument, das 1949, unter in Teilen wiederverwendetem Material der aus dem Jahr 1881 von der Orgelbaufirma Walcker stammenden ursprünglichen (ersten) Orgel, von Förster und Nicolaus „neu“ gebaut wurde, entsprach in keinster Weise mehr Walchas Klangideal.

Schließlich wurde 1961 von der Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke ein neues Instrument mit einer von Professor Walcha erstellten Disposition über 47 Register, die sich auf drei Manuale und Pedalwerk verteilen, erbaut und im Rahmen zweier Orgelkonzerte am 9. und 10. September 1961 mit Werken ausschließlich aus der Feder von Johann Sebastian Bach eingeweiht.

Im Zuge einer von Schuke umgesetzten Generalreinigung wurde die Orgel im Sommer 2003 auf den technisch neuesten Stand gebracht und mit einer Sequenz-Setzeranlage ausgestattet, die dem jetzigen Stelleninhaber, Kantor Andreas Köhs, die Darstellung symphonischer Orgelmusik, wie etwa der Max Regers, ermöglicht. Den vorhandenen vier Normalkoppeln wurde eine weitere Koppel (HW/Ped.) hinzugefügt.

Juni

Die Orgel des Monats Mai:

 

Klangwelt der Romantik in der Französisch-Reformierten Kirche in der Offenbacher Innenstadt

05_Mai Orgel Französisch reformiert Offenbach Foto Rolf Oeser_kl.jpg

Die Walcker-Orgel der Französisch-Reformierten Gemeinde an der Offenbacher Herrnstraße ist die „Orgel des Monats Mai“ im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach. 

Zierlich steht sie da zwischen den modernen Gebäuden der Offenbacher Innenstadt, die Kirche der Französisch-Reformierten Gemeinde aus dem 18. Jahrhundert. Im schlicht gestalteten Innenraum erwartet das Publikum ein echtes Schmuckstück: die Walcker-Orgel aus dem Jahr 1838.

Die Orgelbaufirma Walcker prägte die Orgellandschaft Hessens im 19. Jahrhundert bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Unmittelbar nach dem Bau der Frankfurter Paulskirchenorgel beauftragte die Offenbacher Französisch-Reformierte Gemeinde Eberhard Friedrich Walcker aus Ludwigsburg mit einem Orgelneubau. Dieser wurde als Opus 30 mit zunächst 13 Registern fertiggestellt. Viele Teile dieser ursprünglichen Orgel wie Teile des Pfeifenwerks, Windanlage und Windladen sind noch heute erhalten. Was die Orgel aber zu einem ganz besonders denkmalwerten Instrument macht, ist ihre pneumatische Traktur.

Mit dem Begriff Traktur ist die Verbindung von der Taste zum Spielventil gemeint. „Pneumatisch“ bedeutet dabei so viel wie „mit Luft bewegt“. Natürlich wird in einer Orgel viel Luft bewegt – bei all den Pfeifen. Neu war jedoch zu dieser Zeit, dass nicht mehr nur die Tonerzeugung mittels Luft geschah, sondern auch die Verbindung von der Taste zum Ventil nicht mehr wie bisher über Holzleistchen, sondern über ein pneumatisches System mittels Luftdruck gesteuert werden konnte – eine enorme Innovation im Orgelbau. Die Offenbacher Walcker-Orgel steht noch ganz am Anfang der Blütezeit pneumatischer Orgeln und ist eines der wenigen Instrumente, bei denen sich diese Technik erhalten hat – denn natürlich ist die Mechanik für ein solches System aufwändig und es bedarf eines besonderen Einfühlungsvermögens durch den Organisten. So liefert diese Orgel einen unverwechselbar lebendigen Klang, der im wahrsten Sinn des Wortes „atmet“. Das Instrument ist zu romantischen Klangentwicklungen in der Lage, die die Kompositionen aus der Zeit unbedingt erfordern.

Gleichwohl war es mit 13 Registern in übersichtlicher Größe gehalten. 1905 wurde die Orgel deshalb durch Carl Walcker als Opus 1294 auf 22 Register und 5 Transmissionen erweitert, um auch Werke der Hochromantik mit vollerem Klang adäquat umsetzen zu können.

Im Krieg wurden Kirche und Orgel beschädigt; 1954 wurde das Instrument instand gesetzt und umgebaut, der Klang änderte sich in Richtung des damals beliebten Barock. Weitere Reparaturen und kleinere Umbauten folgten.

2016 wurde eine umfassende Renovierung durch die Dresdener Orgelbaufirma Jehmlich umgesetzt. Dabei wurde auf der Basis einer Rückbesinnung auf die historische Gestalt der romantische Charakter der Orgel wiederhergestellt. So atmet die Walcker-Orgel heute wieder den Geist der Romantik, kann in die damalige Klangwelt entführen und strahlt in altem Glanz.

Mai

Die Orgel des Monats April:

 

Das Instrument in der Gustav-Adolf-Kirche in Frankfurt-Niederursel

04_April  Orgel Gustav Adolf Niederursel Foto Michael Max Stichling_kl.jpg

Die „rote Orgel“ der Gustav-Adolf-Kirche in Niederursel ist die Orgel des Monats April. Nicht das Instrument an sich, sondern die Verkleidung ist in dieser Farbe gestrichen. Vor einigen Jahren wurden die Schätze der 1927/1928 im Bauhausstil von Martin Elsaesser errichteten Kirche gehoben, im Frühjahr 2017 erstrahlte der Bau im Inneren wieder in seiner alten abgestimmten Farbigkeit – und die Orgel in entsprechendem Rahmen. Das von der traditionsreichen Orgelbauerfirma Walcker geplante Instrument passt aus heutiger Sicht zum Geist der Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts: zum Aufbrechen der Barrieren zwischen den musikalischen Genres, reduzierte Klarheit trifft auf Jazz, Klassisches wird in einen neuen Kontext gesetzt. „Unsere Orgel ist ein kleines Juwel, charmant in den leisen Klangfarben und erfrischend filigran, sie kann aber auch pompös daherkommen – gut geeignet ist sie für spätromantische und moderne Literatur", sagt der in Niederursel tätige Kirchenmusiker Bernd Hans Göhrig.

Die Ludwigsburger Firma Walcker hatte ein sowohl im Klang als auch in der Form des Orgelprospekts exakt auf die Kirchenform abgestimmtes Instrument gebaut, laut des damaligen Pfarrers Oberschmidt mit modernster Ausstattung. Gemäß der zu der Zeit geltenden liturgischen Vorstellungen sollten als wesentliche Elemente in der Kirche nur Altar und Kanzel herausragen, während alle übrigen Einbauten, so auch die Orgel, formal zurückhaltend eingepasst sein sollten. Die Orgel der Gustav-Adolf-Kirche verbirgt sich deshalb hinter einem schlichten Gitter, im Raster ähnlich den Fenstern, ohne einen aufwendigen oder auffallenden Orgelprospekt. Sie verfügt über ein pneumatisches System mit Lederbälgen, 20 Register auf zwei Manualen und Pedal (weitere Informationen) sowie über eine funktionstüchtige Calcanten-Glocke.

Die Niederurseler ist als eine der wenigen im hiesigen Raum noch vorhandenen Orgeln nach romantischen Klangidealen aufgebaut. Es gibt keine lauten und schrillen Stimmen, dafür verfügt die Orgel über umso mehr dunklere Klangfarben und Flötenstimmen. Obwohl das Instrument einen relativ hohen Unterhaltungsaufwand benötigt, wurde und wird sie sowohl wegen ihres Klanges als auch ihrer Technik als Dokument ihrer Zeit erhalten und gepflegt.

April

Die Orgel des Monats März:

 

Die Sauerorgel der Segenskirche in Frankfurt-Griesheim

03_März Orgel Segenskirche Foto Rolf Oeser_kl.jpg

Im März trägt die Orgel der evangelischen Segenskirche in Griesheim diesen Titel. Sie ist schon ein ganz besonderes Frankfurter Instrument, die romantische Orgel der Segenskirche. Viele Orgeln aus ihrer Entstehungszeit gibt es nicht mehr in Frankfurt, etliche Instrumente gingen im Krieg verloren und veränderte klangliche Ideale gaben dem Typ der romantischen Orgel vielfach den Rest. Dabei entstand in der Frankfurter Paulskirche 1844 der Prototyp der romantischen Orgel: Mit sehr wenigen hohen Registern, dafür aber mit einem ungeheuren Farbenreichtum in den grundtönigen Stimmen.

Auch die von Wilhelm Sauer 1887 als Opus 475 gebaute Orgel ist eine Vertreterin dieses Instrumententyps und die einzige unverändert erhaltene romantische Orgel in Frankfurt überhaupt. Auf zwei Manualen und Pedal verteilen sich 28 Register, von denen über die Hälfte in der 16- und 8-Fuß-Tonlage erklingen – hohe Töne sucht man hier vergebens. Dafür werden die Zuhörenden entschädigt durch ganz unterschiedliche Klänge, warm, weich, zart, kraftvoll – die Sauerorgel hat viel zu bieten. Besonders der Anteil der sogenannten streichenden Register, die tatsächlich vom Klang der Streichinstrumente inspiriert sind, machen den Charakter dieser Orgel aus. Die Register tragen Bezeichnungen wie „Viola da Gamba“, „Violoncello“ oder „Contrabass“, aber auch weiche, warme Töne lassen sich Registern wie der „Flute harmonique“ oder der „Traversflöte“ entlocken.

Dabei ist die Sauerorgel gar keine echte Frankfurterin: Ursprünglich war das Werk für eine evangelische Kirche in Bochum-Laer konzipiert und errichtet worden. Als diese 1974 abgerissen wurde, fand die Orgel zunächst Aufnahme in einer Scheune im oberhessischen Laubach. Als der Kirchenvorstand der Segensgemeinde sich 1993 dafür entschied, die in der Kirche befindliche Nachkriegsorgel zu ersetzen, kam die wertvolle Orgel auf Vermittlung des Orgelsachverständigen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Hans Martin Balz in Griesheim zu neuen Ehren. Die Gemeinde kann zu Recht stolz sein auf dieses Kleinod.

März

Die Orgel des Monats Februar:

 

Die Bornefeld-Link Orgel in der Offenbacher Markus-Kirche ist ein Instrument mit großer Klangvielfalt

02_Februar Orgel Markus Kirche Foto Rolf Oeser_kl.jpg

Fachleute in Sachen Orgel bekommen leuchtende Augen, wenn der Name Bornefeld fällt. Gärtner, Grafiker, Autor – und vor allem einer der bundesweit renommiertesten Orgelsachverständigen war der 1906 in Baden-Württemberg geborene Kirchenmusiker und Komponist. Jens Wolter, Kirchenmusiker der Evangelischen Markus-Gemeinde, Offenbach, zählt zu den Organist:innen, die eines der über 100 von Bornefeld erdachten oder überdachten Instrumente spielen.

Seit mehr als 50 Jahren erklingt die Bornefeld-Link Orgel unweit des Bieberer Bergs in der Markus-Kirche in Gottesdienst und Konzert. Sie wurde 1962 in den Dienst genommen und ist die größte „evangelische“ Orgel in Offenbach. Die Firma Link, Giengen an der Brenz, hat das Instrument gebaut, entworfen hat es der in Heidenheim an der Brenz lebende Helmut Bornefeld. Unter seiner Leitung entstand – mit viel Liebe zum Detail – ein charaktervolles Instrument mit einer enorm großen Vielfalt an Klangfarben.

Ungewöhnlich ist, dass es sich auch nach nahezu 60 Jahren quasi im Originalzustand befindet. Es gebe Überlegungen, die Orgel zu überarbeiten, auch aktuellen Klanggewohnheiten anzupassen, „aber wollen wir das?“ sei eine der Fragen, die es zu klären gelte, sagt Wolter. Eine technische Aufarbeitung indes erscheint geboten, damit die Markus-Orgel weiterhin konzertanten Ansprüchen gerecht werden kann.

Sie verfügt über 38 Register, Pfeifenreihen gleicher Bauart; jedes Register hat seine eigene Klangfarbe, die man einzeln und in Kombinationen spielen kann. Ein Blick auf den Spieltisch erinnert ein bisschen an ein Klavier – nur, dass es hier mehrere Tastenreihen sind. Bei der Markus-Orgel sind drei Manuale vorhanden – Tastenreihen für die Hände – sowie das Pedal, das mit den Füßen gespielt wird.

Die Markus-Orgel enthält insgesamt etwa 3130 Pfeifen, alle in Handarbeit hergestellt. Wolter berichtet: „Es gibt große und kleine, dicke und dünne, Pfeifen aus Metall und aus Holz und keine gleicht der anderen. Die kleinste Pfeife ist 13 cm groß und erzeugt den höchsten Ton der Orgel; die für den tiefsten Basston gebaute Pfeife hat eine Höhe von 5,60 m und ist vom Kirchenschiff aus zu sehen.“ Ein besonderes Kennzeichen der Markus-Orgel ist die sogenannte „Spanische Trompete“: Das sind die Pfeifen, die horizontal in den Kirchenraum ragen – nicht vertikal wie alle anderen – und einen sehr prägnanten, kräftigen Klang erzeugen.

Februar

Die Orgel des Monats Januar:

 

Die Wegmann-Orgel in Frankfurt-Nieder-Erlenbach – von historischem Wert
und nicht nur musikalischem Glanz

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Die Orgel der evangelischen Kirche in Nieder-Erlenbach ist die einzige aus dem 18. Jahrhundert stammende und heute noch genutzte Orgel im Frankfurter Stadtgebiet, erbaut in der Wegmännischen Werkstatt Frankfurt von Johann Benedikt Ernst Wegmann und Johann Friedrich Meynecke. Andere in der Stadt vorhandene Orgeln aus diesem Hause kamen abhanden, das Instrument der evangelischen Sankt Peterskirche etwa wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und danach nicht wieder aufgebaut.

In Nieder-Erlenbach gab es an dem Wegmann-Instrument in den fünfziger Jahren einige Sanierungsbemühungen – nicht zur Zufriedenheit der Gemeinde. Da aber immer noch große Teile des ursprünglichen Instruments von 1781 vorhanden waren – Gehäuse, Windladen, Teile des Pfeifenwerks – und eine Einheitlichkeit des Instruments nur durch stilgerechte Ergänzung der fehlenden Teile zu erreichen war, entschloss sich der Kirchenvorstand schließlich auf Anraten des Orgelbausachverständigen der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau, Hans Martin Balz, die einmanualige Originalfassung wiederherstellen zu lassen. Nur bei dieser schien ein optimales technisches und klangliches Ergebnis 200 Jahre nach der Konstruktion wieder gewährleistet werden zu können. Übernommen wurde Anfang der achtziger Jahre die Sanierung von der Firma Gebrüder Oberlinger in Windesheim, die bereits über Erfahrungen mit Wegmann-Orgeln verfügte. Für die Finanzierung sprang der Denkmalschutz der Stadt Frankfurt ein.

Der Experte Hans Martin Balz musste sich bei seinen Vorgaben an einigen Stellen auf Vermutungen stützen. Der später im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt gefundene original Werkvertrag belegte dann aber, dass der EKHN-Orgelsachverständige den ursprünglichen Planungen äußerst nahekam. „Es stellte sich heraus, dass die Beratung des Herrn Dr. Balz so hervorragend war, dass unsere überarbeitete und im Laufe der Jahre mehrmals umgebaute und erweiterte Orgel jetzt wieder genau dem Original entspricht! Jetzt kann die Wegmann-Orgel ihre Hörer wieder so erfreuen, wie sie das schon lange getan hat“ – so die Nieder-Erlenbacher Gemeinde. 2009 – da lag diese umfassende Sanierung auch schon wieder mehr als 25 Jahre zurück, wurden im Rahmen von allgemeinen Sanierungsarbeiten in der Kirche die Orgelpfeifen ausgebaut und das Instrument insgesamt noch einmal umfassend gereinigt.

Pfarrerin Petra Lehwalder gefällt, dass mit einem Manual eine ganze Bandbreite ermöglicht wird: Vom leisen, zarten bis hin zum bombastischen Ton. Kinder und Konfirmandinnen und Konfirmanden bestaunten das prächtige, goldschimmernde Instrument der Kirche im Herzen Nieder-Erlenbachs, ebenso wie Gottesdienst- und Konzertbesucher*innen. Sie selber schätzt das breite Spektrum der Töne und sagt: „In dem Moment, wo die Orgel erklingt, beginnt für mich der Gottesdienst.“

Januar
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